LIEDER VOM KRIEG

Im Zuge des Ersten Weltkriegs (1915-18) entstand in Italien erstmals ein Gesangsrepertoire in einheitlicher Landessprache, das allerorts, von den Alpen bis nach Sizilien, Popularität genoss. Zu Kriegsbeginn sprachen lediglich 24% der Soldaten Hochitalienisch, 90% davon waren Offiziere. Der Gesang trug somit zur Verbreitung der Sprache und einer klassenübergreifenden Grundbildung bei. In den Soldatenliedern und Gebirgsjägerchören mischten sich Elemente aus dem Sprachgebrauch des einfachen „Fußvolkes“ mit Ausdrucksformen der gebildeteren Befehlshaber. Das Genre konnte in folgende Untergattungen eingeteilt werden: 1) Gesänge zur Kriegsapotheose und zum patriotischen Opfergeist; 2) Gesänge zum Zeitvertreib während der Kampfpausen und Fußmärsche - oft Neufassungen allseits bekannter Lieder unter Einbeziehung regionaler Elemente; 3) Gesänge über Resignation, Schmerz und Schrecken sowie 4) Wütend-höhnische Protestsongs – Ausdruck anti-militaristischer Gesinnung. Desweiteren umfasste die Hintergrundmusik zur kriegerischen Auseinandersetzung - neben weniger populären Gesängen zu Themen wie Gefangenschaft, Kasernenalltag und Gebirgsmissionen - Lieder, die zu durchschlagenden Plattenerfolgen werden sollten, wie etwa ‘O surdato ‘nnamurato (1915) oder La Leggenda del Piave (1918). Anders als der Zweite Weltkrieg (1940-45), der sich nicht vorrangig in den Schützengräben abspielte und somit weniger Gelegenheit zum kameradschaftlichen Zusammensein bot, war der Erste von stetigem Gesang begleitet. Nach Ende des Konflikts geriet sein musikalisches Erbe nicht etwa in Vergessenheit, sondern hielt Einzug in jene Stätten, die die Zivilgesellschaft der Unterhaltung und dem geselligen Beisammensein gewidmet hatte: Hymnen und Gesänge aus der Epoche des Risorgimento eroberten Schänken, Kaffeehäuser, Theater, Kasernen sowie Rekruten- und Heimkehrerverbände, gehörten bald zum festen Repertoire der Kapellen, Dorforchester und philharmonischen Gesellschaften, erklangen in den Tempeln des mondänen Lebens, wie etwa den Cabarets, und anlässlich der Darbietungen beliebter musikalischer Institutionen wie beispielsweise den Chorgemeinschaften der Gebirgsjäger. Beschränkte sich die Musikproduktion während des Zweiten Weltkriegs auf weitgehend unbedeutende Gassenhauer für die Radiopropaganda, so lieferte die Widerstandsbewegung einen entscheidenden Beitrag zur Erweiterung des musikalischen Spektrums Italiens: Gemeinsam mit den zahlreichen Gesängen der Gebirgsjäger sollten die Lieder der Partisanen, (wie z. B. Bella ciao), in denen folkloristisch-bäuerliche, der Handwerkertradition entstammende, volkstümliche und urbane Elemente miteinander verschmolzen, überleben und in das Goldene Zeitalter des sozial engagierten Songs eingehen.
PLAYLISTS